Stephan Hallmann - Photographien
Die tonnenschweren städtischen Autobusse singen ein Lied davon, wenn sie sich ächzend über Roms holpriges Pflaster quälen. Schlaglöcher auf Schritt und Tritt. Dazu endlose Scharen von Touristen in Gassen und auf Plätzen, die jeden noch so schönen Fussweg durch die Stadt zum Spiessrutenlauf machen. Der ewige Slalom auf antikem Pflaster um die dichtgedrängten Reise-gruppen herum ist geradezu eine Einladung, sich den Knöchel zu verstauchen. Aber halt: die ausgetrampelten, holprigen Pfade Roms, wollten wir sie wirklich ändern? Wollen wir ordentlich geteerte Strassen haben, wo die alten schieferfarbenen Pflastersteine in ihren unzähligen Facetten so wunderbar das Licht der Sonne und nachts der Laternen spiegeln?
die typischen Bilder von Rom. Vom Petersplatz, Kapitol, Forum Romanum, den Gassen rund um Pantheon oder Piazza Navona. Trotzdem entdecke ich auf Schritt und Tritt immer neue Szenerien, die mich faszinieren. Rom ist einzigartig. Eine lebendige Stadt, die die Bruchstücke der Antike in atem-beraubender Alltäglichkeit miteinander verbindet. Keine wohl konservierte architektonische Mumie. „Die ewige Stadt“ ist zwar ein inzwischen ziemlich abgedroschener Begriff. Doch er trifft es. Ich habe viele eindrucksvolle, wunderbare Städte in der Welt gesehen, in manchen sogar eine Weile gelebt. Rom ist etwas Besonderes. Wie ein kleiner Junge
laufe ich staunend mit der Kamera durch die quirlige, seit zweitausend Jahren bewohnte Ikone der abendlän-dischen Zivilisation. Was für eine Geschichte: Hauptstadt des römischen Weltreichs, Res Publica, Zentrum der Christenheit, Wirkungsstätte der Megakünstler Leonardo da Vinci und Michelangelo – und obendrein auch noch eine stinknormale europäische Hauptstadt. Aber eine mit mediterranem Charme. Mitten im städtischen Gewühl etwa der Piazza Venezia recken hochgewachsene Pinien ihre schlanken Hälse gen Himmel und breiten ihren grü-nen Schirm über die Stadt.
Rom ist eine lebendige, aber auch sterbende Stadt.
Die "ewige Stadt" wird mehr und mehr zu einer Art Disneyland für italienische Kultur.
Römer, Ruinen, Ravioli, alles, was das schlichte italophile Herz begehrt, wird im Überfluss geboten. Hier und da ein frisch in Pastelltönen lackierter Cinquecento mit schönem alten Nummernschild, den man mit Picknickkorb stunden- oder tageweise mieten kann. Wo immer du durch die Altstadt schlenderst und sich eine der malerischen Türen öffnet, kommt meistens kein „Römer“ heraus, son-dern eher ein Touristenpaar aus den USA, Spanien, Deutschl-and, Japan oder China, das sich (so wie ich auch) für ein paar Tage, Wochen oder Monate stilecht in einem der unzähligen Touristen-Apartments der Altstadt nach dem Modell Airbnb einquartiert. Normal verdienende Haupt-städter, die sich die horrenden Mieten im Stadtzentrum
nicht mehr leisten können, ziehen in die Vororte.
Die wenigen "Römer", die noch im Zentrum der Stadt wohnen, haben sich in die oberste Etage ihrer Miets-häuser zurückgezogen, mit Dachterrasse und Blick über Rom. Die unteren Etagen werden zu Apartments umgebaut, um sie an Touristen zu vermieten. Ein Schicksal, das Rom mit anderen Touristenmagneten wie Venedig teilt. Vielleicht ein kleiner Vorgeschmack auf die zukünftige "globale Rolle" von good old Europe als Disneyland für den oberen Mittelstand aus den aufstrebenden Ländern Asiens und Afrikas.
Eines sollten wir bei aller Grandezza Roms nicht unterschlagen und zur Ehrenrettung einer anderen grossen Metropole der Antike, des heruntergekommenen Athen, anmerken: vieles von dem, was uns an den Zeugnissen antiker Architektur in Rom begeistert, ist schlicht abgekupfert und kopiert von den grossen griechischen Vorbildern.
Anitas Bad
Die Faszination des Ortes ist unglaublich, der Strom der Besucher unendlich. Von morgens bis abends kommen sie in Scharen zur Fontana di Trevi. Franzo-sen, Spaniern, Amerikanern, Deutschen, Japanern.... allen gilt die grosszügige Brunnen-Anlage zwischen Palazzo Chigi und Quirinale als eine der Haupt-attraktionen, ohne die gesehen zu haben, man Rom nicht gesehen hat. Sei es wegen der Legende, dass man eine Münze in das Becken werfen müsse, um eines Tages einmal wieder zurückzukehren nach Rom. Sei es das berühmte Bad von Anita Ekberg in einer heissen Sommernacht des "dolce vita" hier im Jahre 1960, das die Besucher anzieht. Roms Trevi-Brunnen ist ein Magnet.
Dem Himmel so nah
Viele, die aus aller Welt nach Rom kommen, sind gläubige Katholiken, die es ins Zentrum ihrer Religion und zum Sitz des Papstes zieht. Zumal Papst Franziskus, der erste Jesuit auf dem Stuhl Petri, eine Wärme ausstrahlt, Ansehen und Popularität geniesst, wie wenige Päpste zuvor. Die Faszination des Papstes und des Vatikan als Sitz des Stellvertreters Jesu Christi, also letztendlich Gottes auf Erden, macht an Glaubensgrenzen nicht halt.
Der Januar 2017 war schon extrem kalt für einen römischen Winter. Wer behaup-tet, das Klima verändere sich nicht, muss verrückt sein. Denn über den darauf folgenden - wieder extremen, allerdings diesmal heissen - Sommer 2017 streitet man, ob es nun der heisseste oder zweitheisseste der letzten hundert Jahre war. Nicht nur die extreme Kälte und dann die Rekordhitze machen mürbe. Auch die Länge der sommerlichen Hitzewelle und Trockenheit über viele Wochen hinweg, auch sie ist aussergewöhnlich. Selbst im Zoo trägt man den extremen "Hunds-tagen" Rechnung.
Es gibt "Fruchteis" für die Nasenbären, das heisst in Eis eingefrorene Früchte. Nichts für Gladio, den weissen Tiger von Rom. Er bekommt "Bluteis" mit Fleischfetzen drin. Alles andere wäre für die Raubkatze so langweilig wie "Mineralwassereis". In den Cafés von Rom ist Mineralwasser bei Temperaturen von 38 Grad Celsius und mehr so beliebt wie der unvermeidliche Aperol Spritz. Egal ist all das nur dem schwarzen Löwen vor dem Museum für Moderne Kunst, der aussieht, als ob er in Lava gebadet hätte. Ihm macht die Hitze naturgemäss nicht das geringste aus.
© Stephan Hallmann