Stephan Hallmann - Photographien
Viele Menschen können sie überhaupt nicht ab, schlafen nachts nicht ein wegen ihres "Gequakes". Ich schlafe umso besser, wenn ich sie knarzen, knurren, quaken höre, die Frösche in unserem Teich. Mich beruhigt das unendlich. Ein Geräusch, das es so schon Jahrhunderte gegeben haben muß, gleichgültig, ob die Welt drum herum gerade das Rad, die Luftfahrt, das Internet erfunden hat oder in Chaos untergeht.... Quak, Quak !
Nur, wenn die Frösche "scharf" sind, also paarungswillig, wie man im Bio-logieunterricht wertfrei formulieren würde, dann werden sie etwas nervig. Ihre „Paarungsrufe“ erinnern an den Elektrohaarschneider beim Friseur, gepaart mit einem hektisch aufgeregten kschkschksch. Die sonst eher lichtscheuen Kerle schießen jetzt wie ein Torpedo durch den Teich, aufge-plustert, während ihnen auf beiden Seiten ihres Frosch-Kopps weißlich-transparente Ballons aus den Mundwinkeln wachsen, die sich wie Kau-gummi aufblasen. Nur, dass sie nicht so wunderbar lasziv-gelangweilt explodieren wie der Chewing Gum zwischen den Lippen einer aufmüp-figen Sechszehnjährigen.
Und dann ist es wieder mucksmäuschenstill. Ab und zu unterbrochen vom vertrauten, angenehm gutturalen Quaken. Hier und da guckt ein Kopf mit den zwei Superweitwinkel-Froschaugen aus dem Wasser. Hängt einer wie schwerelos mitten im Teich. Oder klammern zwei Frösche mit ihren lustig gebogenen Fingerkrallen an einem Seerosenblatt, wie Badende an einer Luftmatratze, während andere einfach auf Blättern oder dem Teichrand hockend Sonne tanken, bevor sie wieder eine Zeit lang in den Untiefen des Teichs verschwinden. Im Herbst zieht Tristesse ein im Garten, wenn die Blüten und tellergrossen Blätter der Seerosen sich zusammenrollen. Vögel und Frösche ziehen sich zurück, bis sie plötzlich wieder auftauchen und auf ihre ganz unterschiedlich eigene Art den Frühling ankündigen.
Ich möchte sie nicht missen, die Frösche in unserem Garten. Nur ihr Bevölkerungswachstum bereitet mir Sorgen. Der Geburtenrate nach müssten sie christliche Fundamentalisten sein oder orthodoxe Juden. Sie vermehren sich einfach atemberaubend schnell. Und, wohin mit all den Fröschen? Vor gar nicht allzu langer Zeit war es einzig und allein „Isidor“, sozusagen un-ser Stamm-Frosch, der ein angenehm bescheidener Zeitgenosse war. Wenn man sich näherte, verschwand er scheu mit einem gewaltigen Satz im Teich.
Doch dann waren es plötzlich 20 „Isidore“, die sich im Teich tummelten, lasziv im Wasser herumhingen, Seerosenblätter bevölkerten und den Teichrand bevölkerten wie die Stadtmenschen an Sommer-Sonntagen die überfüllten Liegewiesen im städtischen Freibad. Die schiere Grösse ihrer Population hat sie selbstsicher, ja überheblich werden lassen. Von wegen
"schreckhafter Frosch". Kaum noch ein überstürzter Kopfsprung ins rettende Wasser. Manche blinzelten nur gelangweilt mit ihren runden Froschaugen, wenn man am Teich vorbeispazierte, und dösten einfach unbeeindruckt weiter - manchmal im halben Dutzend aufeinanderliegend - in der Sonne. Wo soll das hinführen?
© Stephan Hallmann